Pflegende Angehörige: eine tägliche Hingabe

Ist ein Mensch von einer chronischen Lungenkrankheit betroffen, wirkt sich dies auch auf die Angehörigen aus, die ihn mit täglichem Engagement unterstützen. Tatjana Vaucher, Sozialarbeiterin bei der Lungenliga Wallis, berät betreuende Angehörige und beschreibt, welchen Herausforderungen sie begegnen.
Tatjana Vaucher, in welchem Rahmen trifft die Lungenliga auf betreuende Angehörige?
Die Pflegefachpersonen treffen bei ihren Hausbesuchen sehr häufig auf Angehörige, die anwesend sind. An mich als Sozialarbeiterin gelangen sie, wenn sie Hilfe benötigen und nicht wissen, an wen sie sich wenden sollen.
Mit welchen Fragen kommen Angehörige zu Ihnen?
Zu einem betreuenden Angehörigen wird man erst nach und nach. Am Anfang stellen sie sich keine Fragen, doch die Pflege nimmt einen immer grösseren Raum ein, die Müdigkeit wird grösser und die Angehörigen sind bald erschöpft. Die Fragen, die sie sich stellen, sind vor allem moralische Zwickmühlen: «Habe ich das Recht, jemandem externe Hilfe und Pflege aufzuzwingen?»
Dazu kommen ganz konkrete Fragen: «Wer hilft mir mit dem ganzen Verwaltungsaufwand und den Kosten?» Unsere Aufgabe besteht darin, zu ermitteln, welche Hilfen möglich sind. Aber auch, ihnen bewusst zu machen, dass sie an sich selbst denken müssen.
Wie wirkt sich die Krankheit auf das Leben der Angehörigen aus?
Alle Lebensbereiche sind betroffen. Der Tagesrhythmus wird völlig auf die erkrankte Person abgestimmt: Das Aufstehen, das Schlafengehen, die Mobilität. Auch die Freizeitaktivitäten sind betroffen, da sie nur noch an den «guten Tagen» möglich sind. Man fährt seltener in Urlaub, falls überhaupt. Auch die Beziehungen zur Familie oder zu den Freunden leiden: Man kann nicht einfach ausgehen, sondern muss das planen und jemanden suchen, der anstelle des pflegenden Angehörigen zu Hause bleibt. Alles, was für die Betroffenen im Alltag ein Hindernis ist, hat auch Auswirkungen auf die jeweiligen Angehörigen. Andere Folgen sind, dass weniger Geld zur Verfügung steht und die administrativen Aufgaben im Zusammenhang mit den Sozialversicherungen zunehmen. Wenn diese von den Angehörigen nicht mehr bewältigt werden können, hilft die Sozialberatung der Lungenliga weiter.
Welche Spannungen können durch eine Krankheit entstehen?
Wenn pflegende Angehörige nicht mehr die Kraft und die Mittel haben, um zu helfen, und die Betroffenen Hilfe von ausserhalb ablehnen, fühlen sich die Angehörigen schuldig und betreuen weiter. Das führt zu Spannungen. Übrigens sind viele Atemwegs- und Lungenerkrankungen «unsichtbar». Da grosse Müdigkeit eines der Symptome sein kann, wird dies vom Umfeld mit Depression gleichgesetzt und die Angehörigen neigen dazu, die Erkrankten zu stark zu beanspruchen. Auch das führt dann zu Spannungen. Schliesslich können Konflikte auch in der Beziehung zum Gesundheitspersonal entstehen: Dieses schlägt eine Lösung vor, die eine Person akzeptiert und die andere ablehnt. Man ist nicht einer Meinung, was ebenfalls ein Grund für Spannungen ist.
Pflegende Angehörige gehen ein tägliches Engagement ein. Wie wird diese Arbeit anerkannt?
Eine Anerkennung besteht teilweise über gewisse staatliche Hilfen. Doch diese gelten erst ab einem bestimmten Grad der Behinderung und nur für Angehörige, die unter demselben Dach leben. Häufig gibt es aber andere Angehörige, die die Betreuung übernehmen und Anerkennung verdienen. Sie leisten eine enorme Arbeit, und dank ihres Einsatzes können Einweisungen ins Pflegeheim oder ins Krankenhaus vermieden werden.
Wie unterstützt die Lungenliga pflegende Angehörige?
In erster Linie durch das Zuhören und das Vermitteln von Informationen. Was die spezifischen Hilfen betrifft, wie zum Beispiel im Haushalt, beim Essen, beim Transport usw., arbeiten wir mit einer Reihe von Vereinen zusammen und organisieren auch kurze Aufenthalte in spezialisierten Einrichtungen, damit sich pflegende Angehörige erholen können. In der Sozialberatung bieten wir auch Hilfe beim Verwaltungsaufwand an, den sie bewältigen müssen.